THE MUSICAL BOX

EINE PERFEKTE ILLUSION VON

Es gibt Genesis-Coverbands, und es gibt The Musical Box. Als die kanadische Band 1993 in ihrem Land das erste Mal in Erscheinung trat, ahnte vermutlich niemand, welche tollen Erfolge diese Gruppe in den darauf folgenden Jahren noch feiern würde. Es gab seit ihren Anfangstagen diverse Wechsel. Musiker und Leute aus dem näheren Umfeld der Band kamen und gingen (manche kamen wieder zurück). Aber eine Sache ist in all diesen Jahren seit ihrer Gründung auch festzustellen: The Musical Box wurden immer besser. Erste Berichte über diese Ausnahmegruppe erreichten recht bald Europa und den Rest der Welt und ließen die Ambitionen italienischer, englischer und deutscher Coverbands wie amateurhafte Bemühungen, etwas Vergleichbares auf die Beine zu stellen, aussehen. Allerdings kann man Bands wie z.B. ReGenesis oder Seconds Out mit The Musical Box nicht wirklich vergleichen. Die Intention war bei den Kanadiern von Anfang an eine andere. Bandmitglied SébastienLamothe berichtete einmal in einem Interview: „… der beste Weg, dieses Projekt umzusetzen, war die Schaffung einer Kombination aus einer originalgetreuen Rekonstruktion der Bühnenshow mit der Intensität der Studioversionen ihrer Songs. Es sollte sozusagen das Beste aus beiden Welten werden.“ Das ist ihnen auch gelungen! Beim Selling England ByThePound-Event 1996 in Welkers, der von unserem Club organisiert wurde, konnten alle, die die Band noch nicht live erleben durften, einen Eindruck ihrer großartigen Performance (wenn gleich nur auf Video) bekommen. Sie hatten zu diesem Zeitpunkt auch die NurseryCryme- und Foxtrot-Ära „in Angriff genommen“ und spielten (natürlich mit der passenden Bühnenshow) Songs aus den frühen Jahren von Genesis. Was nun noch fehlte war die Inszenierung der TheLamb Lies Down On Broadway-Show. Im Herbst 2000 war es dann soweit. Während faszinierenden Konzerten bewiesen sie, dass sie auch dieser großen Herausforderung gewachsen waren.

  Please download Java(tm).

 The Musical Box… is imminent! Frei nach einem Werbespruch für das Album Selling… von 1973, liefen bereits 2001 erste Gespräche über geplante Konzerte in Europa. England sollte Schauplatz der ersten Shows dieser Band außerhalb von Nordamerika werden. Im Februar 2002 wurden die Termine dann offiziell bestätigt. Man entschied sich dazu, die Selling England ByThePound-Show in Bristol, Wolverhampton, Newcastle, Sheffield, Manchester, Nottingham und London aufzuführen. Alles wurde in Eigenregie organisiert. Peter Gabriel und Hit & Run hatten zwar nichts gegen diese Tournee einzuwenden, unterstützten das Ganze allerdings auch nicht mit einem einzigen Penny. Unter der Voraussetzung, dass die Gigs in England ein Erfolg werden würden, stellte Hit & Run in Aussicht, der Band bei der Ausführung von weiteren Konzerten in anderen europäischen Ländern finanziell unter die Arme zu greifen.

 Wie sehr Genesis bereits in den frühen Jahren das Publikum bei ihren Konzerten verzaubern konnte ist etwas ganz Besonderes. Umso faszinierender ist die Tatsache, dass sich The Musical Box dieser Herausforderung gestellt haben, und diese Magie wieder zum Leben erwecken lassen wollen. „Theexactreplica of the 1973 show: lights, sets,costumes, effects and the original slides“ stand auf den Handzetteln, die eigens für die England-Tournee gedruckt wurden. Und kaum jemand zweifelte daran, dass dies nur leere Versprechungen waren. Die Erwartung und Aufregung vor dem ersten Konzert am 26. Mai in Bristol war riesengroß. Um es vorweg zu nehmen: Es wurde eine Zeitreise in die Vergangenheit von Genesis - eine perfekte Illusion! Sofort nach dem Betreten der Colston Hall fiel der Blick auf die Bühne. Das Ganze war einfach toll anzuschauen. Die weißen „Segel“ im Hintergrund dominierten das Bühnenbild, davor waren die Instrumente in der bekannten Anordnung aufgebaut.

 Es war 20.30 Uhr (der offizielle Beginn des Konzertes), aber immer noch keine Anzeichen, dass es nun bald losgehen würde. Der Grund hierfür war folgender. Man Watcher of the sky watcher of all ...wartete auf die Ankunft eines grauhaarigen, älteren Herren, der einen recht eigenwilligen langen Ziegenbart trug: Peter Gabriel. Es war tatsächlich so! Erst als der Meister zusammen mit seiner jetzigen Frau Meabh und einigen anderen V.I.P.s im Schlepptau seinen Sitzplatz eingenommen hatte, wurde das Licht in der Halle gelöscht.

 DenisChampoux (akustische und elektrische Gitarre), Guillaume Courteau (Schlagzeug, Percussion und Gesang), SébastienLamothe (Bass, Basspedale, 12-saitige Gitarre, Gesang) und Francois Richard (Keyboards, 12-saitige Gitarre und Gesang) betraten die Bühne, begaben sich zu ihren Instrumenten. Nach einer kurzen Weile betrat DenisGagné (Gesang, Flöte, Percussion) die Bühne. Er trug den bekannten  bunten Umhang und an seinem Kopf die „batwings“. Es war nun klar, mit welchem Song das Konzert beginnen würde; dem tollen Opener: Watcher Of TheSkies. Schon mit dem Einsetzen des Mellotrons musste jedem bewusst werden, das hier etwas ganz Besonderes geschah. Man spürte ein Dröhnen im Magen und fühlte sich endgültig ins Jahr 1973 zurückversetzt. Sowohl die musikalische Darbietung als auch die optischen Eindrücke waren derart überzeugend, dass man dachte, die originalen Genesis würden auf der Bühne stehen und ihre Musik zum Besten geben. Es war einfach beeindruckend und dieses Gefühl sollte das gesamte Konzert lang andauern. Nachdem die letzte Note von Watcher Of TheSkies  verklungen war, in dessen Verlauf sowohl das von Bildern bekannte Präsentieren des ganzen Umhangs, den Denis trug, als auch das hektische Hin- und Herlaufen am vorderen Bühnenrand, ein Tamburin vor dem Gesicht haltend am Ende des Songs, nicht fehlen durften, brachen Jubelstürme im Publikum aus. Die Begeisterung war riesig. The Musical Box hatte die anwesenden Besucher in der Colston Hall im Sturm erobert!

 Nachdem sich die Masse (die Halle war recht gut besucht) beruhigt hatte, erschien Denis im ebenfalls bekannten Outfit der „Britania“ ... can you tell me where my country lies ...im Scheinwerferlicht. Er stellte sich im Verlauf der kleinen Geschichte, die er vortrug als „pomp and pride of britishempire“ vor. „Can you tell me where my country lies?“schallteesglasklardurch die Halle.Dancing WithTheMoonlit Knight wurde wiederum perfekt vorgetragen. Es war so, als hätten sich die vielen stillen Bilder, die man aus dieser Zeit kennt, in einen Tonfilm verwandelt, der nun real und zum Greifen nahe vor den eigenen Augen ablief. Die an die Segel von hinten projizierten Dias, das Licht, mit einem Wort „alles“ (eingeschlossen der musikalischen Performance) passte. Klar, dass auch nach dieser Nummer das Publikum die Darbietung mit tosendem Applaus honorierte.

 Die zweite kleine Geschichte des Abends, von Denis vorgetragen, leitete den nächsten Song ein. Hauptdarsteller war Romeo, der von einem selbst gezogenen Pilz berauscht, von Juliets „lieblichem“ (bitte in Häkchen) Gesang angezogen wird und gemeinsam mit ihr ins Kino geht. The Cinema Show lautete der Titel, bei dem die Band sowohl in den ruhigeren als auch schnelleren Passagen musikalisch überzeugen konnte. Neu für so manchen Besucher, war die Tatsache, dass am Ende des Songs nur Guillaume, Francois und Sébastien (wie damals Phil, Tony und Mike) auf der Bühne blieben, um den tollen Instrumentalteil des Stückes darzubieten. Es waren keinerlei Schwächen in der Präsentation dieses Klassikers wahrzunehmen. Auch der damals von Genesis verwendete „Showeffekt“ mit der von zwei Scheinwerfern angestrahlten, sich drehenden Discokugel/Ballsaalkugel fehlte nicht.

 Das Dröhnen eines imaginären Rasenmähers war nach dem Verschallen des Applauses zu hören. Denis steckte sich ein Bündel Stroh zwischen die Zähne und begann entlang des vorderen Teils der Bühne so zu tun, als würde er Rasen mähen. Nachdem er damit fertig war, stellte er den „Luft-Rasenmäher“ wieder zurück, legte das Strohbündel ab und schaute auf die Uhr. „It’sone o’clock and time for lunch…“ begann er zu sprechen. Eine sehr gute und originalgetreue Darbietung von I KnowWhat I Like war zu hören, die den einen oder anderen Zuschauer zum Mitsingen animierte. Auf die „Segel“ wurden verschiedene Dias projiziert, die beispielsweise Ausschnitte vom Selling England ByThePound-Albumcover zeigten. Am Schluss wurde von Denis ein zweites Mal die „Rasenmäher“-Einlage dargeboten und das Lied damit beendet. Man kam aus dem Staunen über die gekonnte Show einfach nicht heraus.

... Me, I'm just a lawnmower - you can tell me by the way I walk. Nachdem der Beifall verklungen war, wurde die „Auf-menschlichen-Körpern-herumspringen-um-Wasser-zu -gewinnen“-Geschichte erzählt. Jeder Fan, der das Original von Gabriel kannte, wusste, dass nun Firth Of Fifth gespielt werden würde. Übrigens wurde diese Story nur in Bristol und Wolverhampton vorgetragen. Ab Newcastle gab Denis vor Firth Of Fifth die Geschichte über die „Erkundung der Quellen der fünf Flüsse“ (von denen der fünfte nicht gesehen sondern nur gehört werden konnte) zum Besten, die laut Serge Morissette (künstlerischer Direktor von The Musical Box, bei dieser Tournee auch für die Lightshow zuständig und auch sonst enorm wichtig für die Band) auch 1973 (wohl aber nicht bei jeder Show) erzählt wurde. Die beeindruckende Stimmung dieses Songs, die kraftvolle und gleichzeitig gefühlvolle Darbietung durch die Gruppe und das von Monsieur Champoux vorgetragene so bekannte Gitarrensolo am Ende dieses Klassikers hätte von Genesis vermutlich nicht wesentlich besser gespielt werden können. Keine Video- oder Audioaufnahme kann wiedergeben, was es bedeutete, diesen Song live zu erleben – einfach toll – ein Highlight jedes der erlebten Konzerte.

 Mit dem Satz: „We’dlike to takeyou to a peacefulenglishgame of croquet” leitete Denis die nächste Geschichte ein. Bei dem Gedanken einiger Fans daran, die natürlich die Geschichte um Henry und Cynthia kannten, dass nun The Musical Box folgen würde, gab es bei jedem Konzert dieser Tour spontane, laut bekundete Glücksgefühlausbrüche, die Denis mit einem höflichen „Thankyou“ kommentierte. Es gab geringfügige erzählerische Abweichungen, die der Sänger offensichtlich nach Lust und Laune in die kleine Story einfließen ließ – wie damals schon Peter Gabriel.

 Auf die Leistung von Monsieur Gagné muss einfach im Speziellen hingewiesen werden. Er spielte nicht nur die Rolle des jungen Gabriel, er zelebrierte sie. Alle Gesten (dies galt nicht nur für The Musical Box sondern für alle Songs), Mimiken, Bewegungen, selbst schlagfertige Reaktionen auf Zwischenrufe aus dem Publikum und natürlich die verschiedenen Stimmlagen während des Gesangs waren dermaßen exakt von Peter kopiert, dass der Meister wohl zurecht stolz auf die Leistung seines „Ebenbildes“ gewesen sein dürfte. Für ein kleines bisschen eigenen Charakter hätte Denis in seiner Performance bestimmt Platz gehabt – aber vermutlich wollte er das ganz einfach nicht. Welche Gedanken und Erinnerungen gingen dem im Publikum sitzenden Peter Gabriel beim Betrachten des ganzen Spektakels wohl durch den Kopf?

 Zurück zur Musik… Wie nicht anders zu erwarten war, wurde auch The Musical Box hervorragend und mit der nötigen Power gespielt. Spektakulär (sowohl in den Siebzigern als auch heute) war natürlich Denis’ dargebotenes Finale mit allem, was dazu gehört, nämlich sowohl die Maske Maske Musical Box ... *why don't you touch me*eines alten Mannes, die er trug, als auch der geschauspielerte Orgasmus. Wow! Das dachten auch die meisten Leute im Publikum. Erstmals an diesem Abend gab es stehende Ovationen und minutenlangen Applaus.

 Zur Beruhigung der Nerven gab es danach ruhigere Töne. Horizons wurde von Denis Champoux mit viel Hingabe und originalgetreu, was Klang und Geschwindigkeit anbetrifft, gespielt. Während es in Bristol noch ein ganz wenig hakte, klang es in den darauf folgenden Nächten runder und harmonischer.

 Das nachfolgende rhythmische „Stampfen“ begleitet von flötenähnlichen Keyboardsounds animierte das Publikum zum Mitklatschen. Der Spaß an konkreten, festen Rhythmen sollte ihnen aber bald vergehen. Es folgte eine Nummer, die Genesis selbst nicht zu ihren besten Werken zählt und die nur während der Selling England…-Tour gespielt wurde: TheBattle Of EppingForest. Bei den meisten Fans vermutlich ebenfalls nicht zu den Lieblingssongs gehörend, da er mit massig, schwer zu merkenden Text „zugeschüttet“ ist, entwickelte der Song live aber recht schnell außergewöhnliche, nicht geahnte Reize. Es galt einfach: häufiger hören, und man kann TheBattle eine gewisse Faszination einfach nicht mehr absprechen. Dazu trug auch die theatralische Kostümierungsorgie von Denis viel bei, die getreu dem Original umgesetzt wurde. Durch die schnellen Wechsel des Outfits wurden die verschiedenen Charaktere, die im Text vorkommen, dem Zuschauer beeindruckend vorgestellt und nahe gebracht. Die Performance der Band half, dieses komplexe Werk besser zu verstehen und bekannte Bilder besser zuordnen zu können.

 Die letzte kleine Geschichte dieses Abends handelte von „old Michael“ und wurde von Denis in einer Version vorgetragen, die der auf der ersten Archive-Box von Genesis sehr ähnelt. Es handelte sich um die einleitende Story vor Supper’sReady. Erwähnenswert ist dabei, dass die auf der offiziellen Genesis-CD von Peter Gabriel noch gepfiffene Melodie von Jerusalem (einem englischen Kirchenlied von William Blake) von Denis und Guillaume gesungen wurde: „And didthosefeet in ancient time. Walk uponEngland’smountaingreen?“ Bei diesem Konzert etwas hervorzuheben ist schwierig. Aber Supper’sReady wurde wirklich perfekt dargeboten. Angefangen von den benutzen Kostümen (Dornenkrone, Blumenmaske, etc.) über die verwendeten Dias bis hin zu den Spezialeffekten war die Illusion vollkommen. Man durchlebte eine „Achterbahnfahrt“ voller tiefer Gefühle und Impressionen, die noch Stunden später ihre Spuren im Gedächtnis hinterließ. Ein wahres „Gänsehaut-Feeling“ kam bei der Apocalypse In 9/8 (Co-Starring…) und dem Ende des Meisterwerkes, As Sure As EggsIsEggs (AchingMen’sFeet) auf – The Musical Box in Höchstform! Bei der Apocalypse kam ein spezielles Effektgerät zum Einsatz, welches auf die rechten und linken „Segel“ von hinten aufsteigende Flammen projizierte. Ein toller Moment, der nur ermöglicht wurde, da die Band erst vor einiger Zeit diesen Projektor in einem kanadischen Theater entdeckte (so etwas wird heute nicht mehr gebaut) und den sie jetzt ihr Eigen nennen können. Ein weiterer toller Effekt waren zwei Lichtblitze, die durch kleine Treibladungen gezündet, genau in dem Moment explodierten, nachdem Denis die Worte: „And it’s…“ gesungen hatte. In genau dieser Sekunde warf er den weiten dunklen Umhang von sich (er trug diesen während der Apocalypse, die in der Endsequenz mit Stroboskop-Blitzen ihren Höhepunkt fand) und sprang zum vorderen Bühnenrand. ... and it's hey babe, with your guardian eyes ...Nach dem Knall, der jedes Mal die Leute erschreckte und blendete (bis auf die, die wussten, was kam) sang Denis, nun in ein weiß schillerndes Outfit gekleidet, den Rest des Songs. „… There’s an angelstanding in thesun… “, so kam es einem wirklich vor! Natürlich durfte auch die Schlusssequenz, in der Gagné eine ultraviolett leuchtende Röhre langsam nach oben hob und anschließend wieder absenkte, nicht fehlen. Das Supper’sReady nicht nur irgendein Lied ist, wurde einem durch diese atemberaubende Darbietung wieder mal verdeutlicht. Klar war, dass die Begeisterung im Publikum nun ausuferte. Die Fans sprangen auf, und es gab eine lange stehende Ovation für diese tolle Leistung. Ein perfektes Ende für den regulären Set… aber es sollte ... Lord of Lords King of Kings ...noch nicht Schluss sein.

 Die Band verabschiedete sich höflich vom Publikum und verließ die Bühne. Euphorischer Jubel war zu hören, Begeisterungsbekundungen wurden durch Klatschen und Pfeifen zum ... there's an angel standing ...Ausdruck gebracht. Die Gruppe ließ die Massen nicht lange auf die Zugabe warten. Bereits nach kurzer Zeit betraten die Musiker wieder den Schauplatz. Denis kam als letzter, und wie man es von alten Konzertaufnahmen kannte, gab es Rufe von den Zuschauern, die „Hogweed“ oder „Knife“ forderten. Denis lies sich einen Moment Zeit, schritt ruhig ans Mikrofon und sprach trocken: „TheKnife“. Die Band setzte unmittelbar ein, und das brachte mit sich, dass der rhythmische Anfang des Songs von vielen klatschenden Händen begleitet wurde. Die Lautstärke war etwas erhöht worden, und die Musiker boten eine sehr energiegeladene und dramatische (es kamen wieder Stroboskop-Blitze zum Einsatz) Variante, die sich an der Version vom Album Live orientierte. Man wurde förmlich an die Wand „geblasen“. TheKnife ist eine tolle Zugabe, die auf der Selling England ByThePound-Tour nur sehr selten als Bonus live gespielt wurde. Diese Performance war ein gelungener Abschluss für ein gigantisches Konzert.

 Was gibt noch von Bristol zu berichten? Nun, Gabriel inklusive Gefolge verschwand recht zügig aus der Halle. Peter hatte keine Zeit für ein kurzes Meeting mit der Band. Am nächsten Tag meldete er sich aber tatsächlich noch und telefonierte kurz mit Denis Gagné. Gabriel muss es wohl ganz gut gefallen haben…

 Die Bühne und das andere Equipment mussten schnell abgebaut werden und versandfertig gemacht werden, da bereits am nächsten Tag eine Show in Wolverhampton auf dem Tourprogramm stand. Sieben Konzerte in sieben Tagen, dies bedeutete eine Menge Arbeit für alle Beteiligten.

 Am Ablauf des Sets, der visuellen Effekte und der Performance wurde während der gesamten sieben Konzerte nichts geändert (bis auf eine Ausnahme, aber auf die kommen wir noch zu sprechen). Deshalb wollen wir die ein oder andere Besonderheit oder Anekdote erwähnen, die bei den verbliebenen Shows passiert ist. In Wolverhampton (Civic Hall) am 27. Mai musste die Band leider vor einer maximal 40% gefüllten Halle spielen (die vermutlich schlechteste Besucherzahl). Musikalisch war die Band aber trotzdem gut drauf. Während TheBattle Of EppingForest war Denis This is The Battle Of Epping Forest ausgerutscht und hätte sich beinahe auf den Hosenboden gesetzt. Am 28. Mai spielte man in der City Hall in Newcastle. Die Stimmung war toll, und bei I KnowWhat I Like sangen fast alle aus voller Kehle mit. In Sheffield am 29. Mai gab es eine Vorgabe des örtlichen Veranstalters, der forderte, dass es eine Vorgruppe geben müsse. Denis Champoux übernahm diese Aufgabe mit Bravur und spielte auf akustischen Gitarren eine Auswahl verschiedener Stücke (u.a. Mood For A Day von Yes/Steve Howe). Während des Konzertes der Gruppe gab den vermutlich größten Patzer dieser Tour. Denis Gagné vergaß während TheBattle… die Sequenz durchzuführen, in der er sich den angelegten Pfarrkragen nach vorne dreht und eine umgebundene Krawatte zum Vorschein kommt. Nachdem dieser Teil des Songs gesungen war, verschwand Denis kurz von der Bühne, legte Backstage den Kragen ab und tauchte dann wieder auf, um weiterzusingen. Eine Strophe wurde also nicht von Denis gesungen, sondern von Guillaume, der diesen „Aussetzer“ seines Frontmanns natürlich mitbekommen hatte. Leider war der spontane Beitrag des Schlagzeugers kaum zu hören, da die Lautstärke seines Mikrophons zu leise, nämlich für die backingvocals, eingestellt war. Übrigens saß auch Steve Hacketts Bruder John im Publikum, der Genesis 1973 mehrfach live erlebt hatte und dem das Konzert so gut gefallen hatte, dass er sich dazu entschloss, die Band ein zweites Mal (in London) zu erleben. Das legendäre Apollo Theatre in Manchester war Schauplatz des Gigs am 30. Mai. Die Gruppe wurde voller Begeisterung empfangen, und die Stimmung war während der ganzen Show überwältigend. Es gab stehende Ovationen bereits nach dem ersten Lied. Ein solch begeisterungsfähiges Publikum haben wir kein zweites Mal während dieser Tour erlebt. Den besten Sound aller Konzerte gab vermutlich es in Nottingham am 31. Mai. Das Royal Centre, ein recht moderner Bau, überzeugte durch wenig Hall und auch auf den Rängen gab es einen klaren Sound. Allerdings schien der Mikrofonständer statisch aufgeladen zu sein. So gab es regelmäßig akustisch wahrzunehmende Entladungen, sobald Denis ihn berührte.

 Tja und dann war es soweit: 1. Juni 2002. Es sollte ein Tag werden, den The Musical Box so schnell nicht vergessen würden. Schon während der Tournee gab es immer wieder Gerüchte, dass beim letzten Konzert in der Royal Albert Hall in London etwas ganz Besonderes geschehen würde. Von einem „specialguest“ war die Rede, aber niemand wusste es genau. Diejenigen, die das Geheimnis kannten, verrieten es nicht. Die Halle ist ein beeindruckender Bau, den man wohl mit keinem anderen Saal vergleichen kann. Alles wirkt sehr edel, es gab abgetrennte Logen. Alles in allem ein würdiger Ort für die letzte Performance der Band aus Kanada. Die Plätze waren recht gut gefüllt. Vermutlich erreichte man beim Ticketverkauf in London eines der besten Ergebnisse dieser sieben Tage. Der Sound in der Royal Albert Hall ist übrigens schlecht. Es hallt viel zu sehr. Dies sollte der Stimmung aber keinen Abbruch tun. Fans aus der ganzen Welt waren angereist, um bei diesem Spektakel dabei zu sein. Es gab zum zweiten Mal eine Vorgruppe, die aus Denis Champoux bestand und später durch den Geiger Ben Buckton vom London Symphony Orchestra ergänzt wurde. Denis spielte wieder Stücke auf der Akustikgitarre. Darüber hinaus spielten beide Musiker im Duett. Nach einer Umbaupause begann der Hauptact.

 Das Konzert war eines der besten. Die musikalische Performance der Band war sehr gut. Sie spielten einfach toll und praktisch ohne Fehler. Leider funktionierte das einzige Mal während dieser Tour der Flammenprojektor nicht richtig und beleuchtete nur einen kleinen Teil der „Segel“. Supper’sReady wurde aber dennoch (wie die anderen Songs auch) vom Publikum begeisternd gefeiert. Zu den Besuchern gehörte übrigens auch Mike Rutherford, der seine Familie und einige Freunde mitgebracht hatte. Man konnte ihn weit oben in einer der V.I.P.-Logen entdecken. Reaktionen seinerseits auf diese Show sind aber (bisher) nicht bekannt geworden. TheKnife wäre die letzte Zugabe, dachten sich bestimmt einige Zuschauer, die nachdem das Licht wieder anging, die Halle verließen. Ein Warten hätte sich aber gelohnt, denn es wurde noch mal dunkel, und die Band betrat erneut die Bühne. Denis (wieder im schwarzen Look) bedankte sich für den Applaus und erwähnte gegenüber dem Publikum, dass die Band noch eine Überraschung, nämlich einen besonderen Gast begrüßen könne: „…Monsieur, mein Herr, Mister Steve Hackett“. Jubelstürme brachen aus. Steve betrat die Bühne und die Begeisterung kannte nahezu kein Ende. Nachdem sich die Fans beruhigt hatten und Hackett zwischen Denis Champoux und SébastienLamothe seinen Platz eingenommen und seine elektrische Gitarre umgehängt und angeschlossen hatte, folgte die zweite Zugabe dieses Abends. Man wurde Zeuge einer wohl einmaligen Version von Firth Of Fifth. Das Stück wurde ohne Klavier-Intro gespielt und auch am Schluss wurden ein paar Takte weggelassen. Im Vordergrund stand aber der Kult und die Emotionen bei den Fans waren spürbar. Steve spielte „sein“ Gitarrensolo und die Leute waren aus dem Häuschen. Es bedeutete den Musikern von The Musical Box sicherlich eine Menge, diese Momente zu erleben. Aber auch der Meister hatte Spaß auf der Bühne, das war zu sehen. Tosender Applaus erwartete alle Künstler auf der Bühne, als der Song vorbei war. Nach minutenlangen Ovationen trat ein Musiker nach dem anderen aus dem Rampenlicht. Die Hallenbeleuchtung wurde wieder angeschaltet – die England-Tournee von The Musical Box war nun Geschichte. Ein Waaaaahnsinns-Konzert !!! THE MUSICAL BOX !!!

 Man weiß nie genau, was noch kommen wird. Das, was man allerdings erlebt hat, kann einem niemand mehr nehmen. Es bleibt in den Erinnerungen erhalten. Die Tournee war etwas Besonderes und bedeutete sicher den meisten Besuchern sehr viel. Sie macht aber auch deutlich, welches unglaubliches Potential in den Siebzigern in Genesis steckte; insbesondere wenn man sich vor Augen führt, wie jung die Bandmitglieder damals waren. The Musical Box haben es geschafft, die Faszination von damals in der heutigen Zeit wieder zum Leben zu erwecken. Endlich kann man nachvollziehen, was die Besucher 1973/74 bei einem Konzert der Selling England…-Tour erlebt haben, wenngleich The Musical Box vermutlich weniger technische Probleme hatten, als damals Genesis. Man kann jetzt diese Show besser verstehen und auch bestimmte Bilder aus jener Zeit den Songs gezielt zuordnen. Vielen Dank für alles, The Musical Box!

 Autor: Bernd Zindler go to top